Am 11. Mai 2022 machen wir uns mit unserem befreundeten Rudel wieder mal auf ins Tessin und wollen erstmals versuchen, ob Lulu, Fidel, Pedro und Esther auch hüttentauglich sind. Die Tour soll uns am ersten Tag von Mornera zur Capanna Orino führen und am zweiten via Sassello hinunter nach Vogorno. Aber es kommt wieder mal ganz anders – leider. Weil mittwochs die Seilbahn hinauf nach Mornera zwischen 8 und 10 Uhr in Revision ist, laufen wir heute bereits vor 8 Uhr in Mornera los und schlagen gleich einen unmarkierten aber guten Weg ein, der uns zum Startpunkt der Via ferrata die tre signori führt. Aber keine Angst, wir wollen nicht den Klettersteig hoch, das wäre ja auch gar nichts für uns Hunde. Ab hier nimmt die Qualität des Weges ziemlich ab, denn weiter hinein ins obere Valle di Sementina scheint kaum mehr jemand zu laufen. Die Wege existieren wohl nur noch zwecks Unterhalt der vielen Wasserfassungen, die es dort oben im Tal hat. Unterwegs krabbeln die Zecken wie Ameisen auf mir herum, und trotz Zeckenhalsband habe ich bis am Abend mehrere Dutzend dieser lästigen Viecher mitgenommen. Etwas mehr als 100 Höhenmeter unterhalb der Alpe Erbea verschwindet der Weg bei einer Wasserfassung plötzlich, und wir stiegen nun weglos uns sehr steil direkt zur Alpe hinauf. Für Pedro ist das wegen der hohen Tritte, des Grases und des Erikakrautes zu viel des Guten, so dass ihn Esther gelegentlich in ein Tragetuch pack und ihn vorne umhängt, Bei der Alpe Erbea - von wo aus man das wilde und einsame Valle di Sementina schön überblicken kann - machen wir eine ausgiebige Pause. Weiter geht es nun wieder auf recht gutem Weg hinüber zur Alpe Albagno. Unterwegs erschnüffle ich eine tote und bereits auf ihr Gerippe reduzierte Ziege. Paul ruft mich aber leider zurück, bevor ich mir einen Knochen holen kann. Pedro hingegen lässt sich nicht aufhalten und will nicht mehr zurück auf den Weg kommen. Esther muss ihn gar in diesem steilen und gerölligen Gelände quasi an den Ohren zurück holen gehen. Kaum oben auf dem Weg, hält Pedro eine Pfote in die Höhe und will nicht mehr weiterlaufen. Beim Versuch, die Pfote zu inspizieren, wird er gar richtig aggressiv und nur mit vereinten Kräften gelingt es Esther und Paul, ihn zu bändigen und die Pfote anzuschauen. Na ja, vielleicht etwas röter als normal, aber eigentlich nichts zu sehen! Wir gehen also einfach weiter, aber schon nach wenigen Schritten knicken Pedro die Beine unter dem Körper weg, und er kann überhaupt nicht mehr richtig laufen. Irgend etwas stimmt mit ihm ganz definitiv nicht, nur was? Esther packt ihn wieder in ihren Tragebeutel, so dass wir weiterlaufen können. Bei der Alpe Albagno wollen wir nochmals eine Pause machen, damit wir Pedro besser untersuchen können, als hier in diesem stotzigen Gelände. Aber noch im Aufstieg zur Alp, taucht Pedro ganz ab, wird bewusstlos und kotet sich gar noch ein. Jetzt entscheiden die Zweibeiner, an Ort und Stelle zu pausieren und legen Pedro in Seitenlage auf den Weg. Mit Stöcken und Kleider wird schnell eine Art Zelt gebastelt, damit er nicht in der Sonne liegen muss. Ausserdem wird er noch mit viel Wasser gekühlt. Was ist nur mit ihm los? Hitzeschlag (aber gar so heiss ist es ja nicht, und wir haben doch erst gerade noch eine lange Pause gemacht)? Schlaganfall? Vergiftung? Oder doch ein Schlangenbiss? Pedro atmet immer weniger und ein paar Mal denken Esther und Paul schon, dass er jetzt dann gleich seine letzte Reise antreten wird. Aber Pedro ist ja ein zäher und kräftiger Bursche und sein Lebenswille offenbar stark. Nach einiger Zeit scheint sich seine Atmung etwas zu normalisieren, er atmet wieder regelmässiger, ist aber immer noch bewusstlos. Langsam, langsam kommt er wieder zu sich, ist aber unkoordiniert und kann noch nicht einmal stehen. Nach anderthalb Stunden, scheint er zumindest wieder transportierbar zu sein, und so pack ihn Esther wieder ins Tragetuch, und wir laufen weiter hinauf zur Alpe Albagno. Mit unsere zweitägigen Tour ist es natürlich Essig, denn wir wollen Pedro nun so schnell wie möglich zum Tierarzt bringen. So steigen wir halt auf direktem Weg ab zurück nach Mornera, wo zum Glück gleich eine Gondel hinunter ins Tal fährt. Knapp vier Stunden, nachdem Pedro umgekippt ist, sind wir in Bellinzona in der Tierklinik. Nach einigen Untersuchungen wird es dann klar, dass er offensichtlich von einer Schlange gebissen wurde. Ich sehe mal wieder, wie viel Glück ich im Februar hatte, als mir das selbe passiert ist, denn so schlecht, wie es dem armen Pedro geht, ging es mir ja damals bei weitem nicht! Pedro muss offenbar noch einige Tage in der Klinik bleiben zur Beobachtung, uns so machen wir uns ohne ihn traurig auf den Heimweg. Hoffentlich kommt Pedro wieder auf die Beine und wird wieder der alte gmögige Lausbub, der er war! Gute Besserung, lieber Pedro!