Visghéd

Am 3. Februar 2023 sind wir gleich nochmals im Tessin unterwegs. Die Nordföhnlage hält an und beschert der Alpensüdseite weiterhin sonnige, warmes und etwas windiges Wetter. Da ich läufig und ziemlich giggerig bin, will Paul eine Tour unternehmen, wo wir höchstwahrscheinlich niemanden antreffen, vor allem keinen anderen Hund. Die Scíma da Visghéd hat er eh schon lange auf seiner immer länger werdenden Liste mit Wanderideen. Es sieht nämlich so aus, als könne die mehr oder weniger schneefrei bestiegen werden. Wir laufen in Moleno los und steigen zuerst auf dem alten ins Val Moleno führenden Säumerweg auf. In der Gegend von Vacaresce zeigen alte Karten einen Verbindungsweg hinüber nach In Patríga, den wollen wir jetzt suchen. Vom Weg ist allerdings nichts mehr vorhanden, aber unzählige Wildwechsel erlauben uns, In Patríga dennoch zu erreichen. Mühsam ist es allerdings schon, den auch hier (wie vielerorts in der Riviera) liegt vom Sturm im Sommer 2021 viel Fallholz herum. Ausserdem bewegen wir uns im Kastanienbereich, was meinen Pfoten gar nicht schmeichelt. Bei In Patríga müssen wir wohl oder übel durchs Gelände laufen, welches eingezäunt das Gebäude dort umgibt. Zum Glück ist keines der Tore im Zaun verschlossen. Danach ist es nicht mehr weit bis zum Weg, der von Prosito aus in die Höhe steigt. Allerdings ist auch der nicht immer sehr gut sichtbar und verläuft gelegentlich auch anders, als auf der Karte eingezeichnet. Bis etwa In Condéll Zóra laufen wir in den Kastanien, und ich bin schon sehr froh, kommen wir dort oben endlich aus dieser Zone heraus. Etwas weiter oben – bei In Bedrásch – werden wir durch freudiges Bellen begrüsst, rasten hier doch grad zwei ältere Einheimische mit Hund bei ihrer Hütte. Der Hund ist aber zum Glück kastriert und nicht so recht an mir interessiert. Haben wir schon bis hier hinauf den Weg mehr erfühlt als gesehen, so wird es nun definitiv sehr mühsam. Den Durchstieg durchs nächste Felsband finden wir nicht, krasmen gut 100 Höhenmeter extrem unangenehm steilste Hänge hoch, suchen erfolglos den auf der Karte eingezeichneten Weg, bis schliesslich von rechts her die zwei ältern Leute mit ihrem Hund auftauchen. Die kennen sich hier aus, und so sind wir ganz froh, dass wir uns ihnen anschliessen können. Es geht weiterhin sehr steil hoch, und obwohl meist eine Andeutung eines Weges sichtbar ist, verhauen sich auch unsere einheimischen Führer einmal. Bei In Orgnèga trennen sich unsere Wege. Hier kommt von In Pienèsg her ein recht deutlicher Weg, den die einheimischen ‹Autostrada› nennen. Und ja, verglichen mit diesem sehr mühsamen Abschnitt, der gerade hinter uns liegt, ist der Weg wirklich gut sichbar und in gutem Zustand. Nur leider ist er hier oben meist schneebedeckt, und sichtbar ist er in der Regel deshalb, weil auch das Wild gerne das Wanderwegtrassee nutzt, und wir so einfach den Wildspuren in Richtung In Visghéd folgen können. Dort kommen wir ziemlich erschöpft an und machen erst mal eine gemütliche Pause. Der Gipfel scheint tatsächlich mehr oder weniger schneefrei zu sein. Aber der Aufstieg hierher hat uns doch mehr abverlangt, als wir gedacht hätten. Und ausserdem steigen wir ja wieder gegen Osten hin ab, und Paul würde schon noch gerne wenigstens einen Teil davon in der Sonne laufen können. So lassen wir die Cima halt Cima sein – die läuft uns ja nicht davon – und steigen nun ebenso steil aber auf meist doch etwas besser sichtbarem Weg direkt hinunter nach Moleno. Bis auf die Höhe von Roure sind wir immer mal wieder in der Sonne unterwegs, danach verschwinden wir endgültig im Bergschatten. Etwas weiter unten sehen wir, wie dieser Sturm von 2021 gewütet hat, läuft man doch auf zwar gut herausgeschnittenem Weg durch ein Chaos von umgestürzten Bäumen. Eine schöne, abenteuerliche und anstrengende Bergtour, wie man sie anfangs Februar gar nicht erwarten täte!

Freitag, 03. Februar 2023