Unser Bergfreund G. ist letzte der Woche endlich der Lohnsklaverei entronnen und jetzt glücklicher Rentner. Dies zu feiern versuchen wir zusammen eine abenteuerliche Zweitagestour im Tessin – und scheitern kläglich! Am 25. Mai 2020 fahren wir nach Cimalmotto, denn uns wurde gesagt, es hinge dort neu ein blauer Wegweiser – Ribia 6.5 Std. Wir gehen also davon aus, dass es jetzt einen Alpinwanderweg gibt, der Cimalmotto mit der Capanna Ribia verbindet. Da er auf der Karte der Landestopographie (noch) nicht eingezeichnet ist, nehmen wir an, dass er über den Lago di Sfii und den Passo Pianaccio führt, respektive dann auf einem alten Weg die Schlucht des Val Quaranteria hinüber zur Capanna quert. Es zeigt sich aber, dass sich – abgesehen von diesem blauen Schild in Cimalmotto – keine weiteren Wegweiser oder Markierungen für einen Alpinwanderweg finden.
Das Wetter ist aber sonnig und warm, und so wandern wir frohgemut dem Ri di Sfii folgend gegen die Alpe di Sfii zu – ein toller und Weg in schöner Landschaft. Nach der Abzweigung hinauf zum See verlieren wir kurz den Weg, aber das irritiert uns noch nicht. Diese Wanderung zum Lago di Sfii lohnt sich auf jeden Fall, denn der See ist wirklich malerisch gelegen. Nur eben ist ab hier Schluss mit Markierungen. Aber wir sind ja Tessin erfahren und machen uns deswegen keine Sorgen. Mit Karte und GPS wird die Ribia schon zu finden sein. Gleich nach dem See kommen wir bis zur Passhöhe in den Schnee, der gut verfirnt und trittig ist. So erreichen wir auch den Passo Pianaccio ohne Probleme. Die Schwierigkeiten beginnen aber schon gleich danach. Ab dem Pass ist zwar andeutungsweise eine Wegspur sichtbar, aber die entspricht nicht der, die auf der Karte eingezeichnet ist. Wir folgen ihr dennoch, bis sie sich gelegentlich verliert. Der Boden ist immer mehr mit Alpenrosen und Wachholder bedeckt, so dass ein Durchkommen für mich kleinen Fratz immer mühsamer wird. Dank GPS finden wir dann aber gerade rechtzeitig vor dem Eintritt in den Wald die richtige Wegspur doch noch. Ohne die, wäre es fast unmöglich geworden, zur Alpe di Cregnell zu queren. Aber auch so ist es für mich noch mühsam genug, denn auch die Wegspur ist stark verkrautet. Nach der Alp steigen wir erst – auf immer noch kaum sichtbarem Weg – ca. 150 Höhenmeter ab, bis wir wiederum dank GPS die nun schon fast unsichtbare Wegspur hinunter ins Val Quaranteria finden. Irgendwann wird es dann aber schon fast verboten steil, eine Wegspur findet sich nicht mehr und es ist schon fast 18 Uhr. Da wir nicht wissen, wie die weitere Strecke beschaffen ist – ist sie verkrautet, durch Erlen versperrt etc. – und die Zeit knapp wird, entschliessen wir uns für den Rückzug, um ja nicht in unwegsamem Gelände von der Nacht überrascht zu werden. Natürlich sind wir auch im Glauben, dass der Talweg Alpe di Cregnell – Carvàdigh uns keine grossen Schwierigkeiten bieten wird. Pustekuchen! Die Wegspur wird immer weniger sichtbar, weil das Kraut weiter unten schon hoch gewachsen ist, Totholz versperrt uns oft den Weg und wir verlieren ihn immer und immer wieder. Die Sucherei ist mühsam, zeit- und kräfterauben, und so brauchen wir unerwartet lange für den Abstieg bis Carvàdigh. Ab da ist dann aber der Weg gut, und wir können aufschnaufen. Ziemlich erschöpft erreichen wir die Talstrasse. Nur: was macht man um diese Zeit – es ist inzwischen 20 Uhr – so weit hinten im Valle di Vergeletto? Die zu Fuss erreichbaren Herbergen, die wir anrufen, sind alle geschlossen, und der letzte Bus ist schon vor Stunden abgefahren. Ein Autofahrer rettet uns dann aber aus unserer Not und nimmt uns mit bis Ponte Brolla. So wurde aus der geplanten Zweitagestour halt eine Tagestour. Abenteuerlich war es aber mehr als genug!