Das Wetter ist grad so schön im Tessin, das müssen wir einfach ausnutzen, und so wollen wir am 10. und 11. August 2023 unsere Nord-Süd-Etappenwanderung fortsetzen. Wir starten selbstverständlich bei der Bushaltestelle Pasquerio am Ortsrand von Biasca. Erst laufen wir öde quer durch Biasca hindurch, aber schon gleich oberhalb der Kirche schlagen wir den schönen Kreuzweg ein, der zur Kapelle Santa Petronilla führt. Nach der Kapelle geht es dann allerdings zur Sache. Erst sind grad mal ein paar verboten hohe Stufen zu überwinden. Ob die zur Abschreckung gedacht sind? Denn danach stossen wir auf keine solch überhohe Stufen mehr. Steil steigen wir nun an. Dass es hier überhaupt einen Weg gibt, täte man von unten hoch schauend nicht glauben. Über Cantói mühen wir uns – viele, viele Stufen überwindend – nach In Negressíma hoch. Kurz zuvor kommen wir endlich in die Sonne. Hier haben wir einen tollen Ausblick über die Tessiner Riviera und deren westlich angrenzenden Berge und Täler. Nun zieht sich der Weg etwas vom Abgrund zurück, bleibt aber immer noch recht steil bis oberhalb der Alpe di Tónsgia, die offensichtlich erst gerade noch mit Grossvieh bestossen war. Jetzt sind aber keine Rinder mehr zu sehen. Wie die wohl da hinauf gekommen sind? Ab hier nimmt die Steigung zum Glück etwas ab. Wir folgen nun einem etwas weniger deutlich ausgeprägten Weg, der uns über Spiancri und oberhalb der Alpe di Dros durch zum schönen Lago bei der gleichnamigen Alp führt. Jetzt nur noch ein kurzer Aufstieg, und die knapp 2100 Höhenmeter zwischen Biasca und der Forcarella di Lago sind geschafft! Unser Tagesziel – die Capanna Cava – liegt uns jetzt nicht einmal 200 Höhenmeter tiefer zu Füssen. Das war ein happiger Anstieg, der uns ziemlich Kraft gekostet hat!
Am 2. Tag laufen wir in der frühen Morgensonne bereits los – es ist schon ganz anständig warm – queren oberhalb der Laghetti di Cava durch und steigen dann steil und lotterig zum Passo del Mauro hinauf. Die Strecke, die wir heute laufen, kennen wir schon von einer Tour im Herbst 2017, damals waren wir aber in die andere Richtung unterwegs. Der Abstieg zur Alpe della Motta hinunter ist nun angenehmer, und auch die Querung zur Alpe d’Örz bietet keine Schwierigkeiten. Unterhalb der Bocchetta di Pianca Geneura verlassen wir nun den Bergweg und schlagen den Alpinwanderweg in Richtung Capanna Brogoldone ein. Einen Weg soll man hier allerdings besser nicht erwarten. Meist kann man nämlich schon froh sein, wenn man eine wenigstens einigermassen sichtbare Wegspur findet. Aber die Markierungen sind deutlich und einigermassen dicht gesetzt, so dass wenigstens die Navigation keine Probleme bietet. Dafür läuft man viel über Blöcke und Geröll, sehr unangenehm für meine Pfoten! Kommt man ins Valle di Cresciano hinein, erwartet einem eine sehr steile Schroffenplangge, die es zu traversieren gilt. Äusserste Aufmerksamkeit ist hier gefragt, denn das ist ein Abschnitt, wo man lieber nicht ausrutschen möchte. Unter der Bocchetta di Piöv di Fuori bessert es dann wieder, so dass wir wieder mal etwas zügiger voran kommen. Dann aber kommt der für mich definitiv mühsamste Abschnitt bis zur Bocchetta Nord del Lago. Wir balancieren hier nämlich für eine ganze Weile über Geröll und Blöcke. Der Schlussaufstieg zu diesem Pass ist extrem steil und lotterig, aber im Aufstieg einigermassen gut zu bewältigen. Auch die Südseite des Passes ist ziemlich steil, wenigstens aber grasiges Schroffengelände, so dass Paul etwas weniger herum eiern muss. Schliesslich erreichen wir westlich des Punktes 2268 wieder einen Bergweg, den wir von diversen Touren her gut kennen. Auf diesem Abschnitt über den Passo di Mem bis zur Brogoldone, kreuzen wir auch unsere Etappenwanderung vom westlichsten zum östlichsten Grenzstein der Schweiz. Im Juni 2019 sind wir damals in der Gegenrichtung da durch gelaufen. Vor der Capanna Brogoldone sitzen dermassen viele Leute – sonst treffen wir ja an beiden Tagen fast niemanden an – dass wir gleich weiterlaufen. Bei zunehmender Hitze (aber zum Glück jetzt im Schatten des Waldes) steigen wir geschwind noch bis zu den Monti-Savorù ab, wo uns der nette Bähnler eine Extrafahrt nur für uns spendiert, so dass wir gar nicht aufs Bähnli warten müssen. Wir sind beide nun ziemlich erschöpft. Das war schon eine happige Tour die letzten beiden Tage. Wunderschön, aber lang, rau und anstrengend. Jetzt freue ich mich auf ein paar geruhsame Tage zu Hause!